Unternehmer- und Freiberufler-Brief Februar 2014

Pauschbeträge für Sachentnahmen 2014

Kernaussage
Werden Wirtschaftsgüter aus dem Unternehmen für außerbetriebliche – in der Regel private – Zwecke entnommen, so unterliegen diese Sachentnahmen regelmäßig der Ertrags- und Umsatzbesteuerung. Zur Vereinfachung setzt das Bundesfinanzministerium (BMF) jährlich Pauschbeträge zur Ermittlung der Höhe der Entnahmen fest.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Pauschbeträge für das Jahr 2014 sind nun vom BMF veröffentlicht worden. Sie betreffen Gewerbezweige, die Einzelhandel mit Nahrungsmitteln betreiben, z. B. Bäckereien, Gaststätten etc..

Konsequenz
Die Pauschbeträge stellen Nettowerte dar. Die Umsatzsteuer (7 % bzw. 19 %) ist auf Basis dieser Werte zu ermitteln. Alternativ zum Ansatz der Pauschbeträge kommen nur Einzelaufzeichnungen in Betracht. Eine Reduzierung der Pauschbeträge, z. B. wegen Urlaubs oder individueller Essgewohnheiten, ist nicht möglich.

Neues vom BMF zur organisatorischen Eingliederung bei Organschaften

Kernaussage
Ist ein Unternehmen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein anderes Unternehmen eingegliedert, so liegt eine Organschaft vor. Das eingegliederte Unternehmen (Organgesellschaft) verliert umsatzsteuerlich seine Selbständigkeit. Der Organträger tritt dafür in die Stellung der Organgesellschaft ein.

Rechtslage
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte in 2013 seine Rechtsauffassung hinsichtlich des Vorliegens einer organisatorischen Eingliederung an die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) angepasst. Insbesondere für Organschaften, in denen die Geschäftsführungen von Organträger und -gesellschaft nicht personenidentisch besetzt sind, war nun fraglich, ob diese weiterhin die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft erfüllen. Das BMF hatte den Unternehmen eine Übergangsregelung bis zum 31.12.2013 eingeräumt, um sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.

Neue Verwaltungsanweisung
Das BMF hat nun die zuvor genannte Frist auf den 31.12.2014 verlängert, um den Unternehmen zusätzliche Zeit zu geben, um gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen umzusetzen.

Konsequenz
Bestehende Organschaften bzw. Unternehmensgruppen, die für eine Organschaft in Frage kommen, sollten nun die voraussichtlich letzte Gelegenheit nutzen, um zu prüfen, ob sich Handlungsbedarf ergibt. Dieser kann sowohl Maßnahmen mit dem Ziel betreffen, bestehende Organschaften zu retten, als auch diese zu beenden. Letzteres kann z. B. durch die Bestellung eines einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführers in der Organgesellschaft, der dem Leitungsgremium des Organträgers nicht angehört, erreicht werden. Die betroffenen Unternehmen sollten nicht mehr zögern, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, da die Umsetzung gegebenenfalls erforderlicher Maßnahmen Zeit benötigt.

Vorsteueraufteilung bei Grundstücken: BFH bestätigt Flächenschlüssel

Kernaussage
Werden Gegenstände, insbesondere Grundstücke, gemischt genutzt, so ist die bezogene Vorsteuer nur insoweit abzugsfähig, als sie den Umsätzen zuzurechnen ist, die einen Vorsteuerabzug zulassen.

Sachverhalt
Bis zum 31.12.2003 konnte die Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel, dem Verhältnis der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze zum Gesamtumsatz, aufgeteilt werden. Mit Wirkung zum 1.1.2004 wurde das UStG (§ 15 Abs. 4 UStG) derart geändert, dass die Anwendung des Umsatzschlüssels faktisch nicht mehr möglich war. Als Maßstab verblieb lediglich eine Aufteilung nach qm (Flächenschlüssel). Strittig war bisher, ob diese Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, das den Umsatzschlüssel als Regelmaßstab vorsieht.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht die deutsche Regelung insoweit als richtlinienwidrig an, als sie grundsätzlich eine wirtschaftliche Zurechnung der Vorsteuer fordert, anstelle einer Aufteilung nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens. Der BFH hält es aber für zulässig, der wirtschaftlichen Zurechnung (Flächenschlüssel) den Vorrang vor dem Umsatzschlüssel für Vorsteuerbeträge einzuräumen, die nach § 15a UStG berichtigungspflichtig sind.

Konsequenz
Das Urteil bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung nur hinsichtlich solcher Vorsteuerbeträge, die der Korrektur nach § 15a UStG unterliegen, also z. B. Vorsteuern aus der Errichtung von Gebäuden. Für Vorsteuerbeträge aus laufenden Kosten, die nicht hierunter fallen, verneint der BFH nicht nur den Vorrang des Flächenschlüssels, sondern hält den Ansatz des Umsatzschlüssels für angemessen. Als Bemessungsgrundlage stellt der BFH hierbei auf die Gesamtumsätze des Unternehmens ab und nicht, wie in der Praxis üblich, auf die Umsätze des jeweiligen Objekts. Hinsichtlich der laufenden Kosten wird daher zukünftig nicht nur die Finanzverwaltung umdenken müssen, sondern auch die Unternehmer. Das gerade erst vom Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlichte umfangreiche Schreiben zum Vorsteuerabzug ist damit zum Teil schon wieder überholt bzw. muss überarbeitet werden. Betroffene Unternehmen sollten prüfen, ob sie von dem Urteil profitieren können bzw. welche Risiken es ggf. auch für die Vergangenheit mit sich bringt.

Bundesfinanzministerium: Neues zum Vorsteuerabzug

Kernaussage
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in 2011 grundlegende Urteile zum Vorsteuerabzug gefällt. Die Fälle betrafen gemischt genutzte Immobilien bzw. Photovoltaikanlagen. In allen Fällen musste sich der BFH mit der Frage beschäftigten, ob die Unternehmer die Objekte korrekt ihrem Unternehmensvermögen zugeordnet hatten, was grundsätzliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist. Daneben beinhalteten die Urteile wesentliche Aussagen zur Aufteilung der Vorsteuer bei Photovoltaikanlagen. Eine grundlegende Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums (BMF) hierzu fehlte bisher; nun liegt sie vor.

Neue Verwaltungsanweisung
Das BMF hat nun ein 62-seitiges Schreiben zum Vorsteuerabzug veröffentlicht und den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) entsprechend aktualisiert. Das Schreiben beschäftigt sich mit folgenden Themen: Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Unternehmensvermögen, Ermittlung der unternehmerischen Mindestnutzung (10 %), Zuordnungsschlüssel, Zuordnungsobjekt, Prognosezeitraum und Zeitpunkt und Dokumentation der Zuordnung und ihre Auswirkung auf die Besteuerung. Anhand von zahlreichen Beispielen wird die Auffassung des BMF dann im Einzelnen dargestellt.

Konsequenz
Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden, das BMF beanstandet es jedoch nicht, wenn diese erst ab 2014 angewendet werden. Unternehmer und deren steuerliche Berater müssen sich mit dem BMF-Schreiben auseinandersetzen, um eine korrekte Deklaration zu gewährleisten. Allerdings ist zu beachten, dass der BFH gerade ein grundlegendes Urteil zur Vorsteueraufteilung veröffentlicht hat, das voraussichtlich eine nochmalige Überarbeitung des Schreibens erfordert. Betroffen ist hiervon die Aufteilung von Vorsteuern aus laufenden Kosten, die keiner Korrektur nach § 15a UStG unterliegen. Diese muss nach Ansicht des BFH auf Basis der Umsätze des gesamten Unternehmens erfolgen, während das BMF derzeit noch eine objektbezogene Betrachtung fordert.

Begründen Windkrafträder Zweigniederlassungen?

Kernaussage
Erbringt ein im Ausland ansässiges Unternehmen Werklieferungen oder sonstige Leistungen an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, so schuldet das Unternehmen, das die Leistung empfängt, die Umsatzsteuer hieraus. Dies klingt zunächst einfach, die ersten Probleme stellen sich in der Praxis aber schon, wenn zu klären ist, ob der Leistende im Inland ansässig ist.

Sachverhalt
Die Klägerin mit Satzungssitz in Deutschland betrieb Windkraftanlagen in Deutschland. Die Gesellschafter der Klägerin saßen in Dänemark. Die Klägerin hatte weder ein eigenes Büro noch Personal. Die Geschäfte wurden von einer GmbH geführt, mit der ein Geschäftsbesorgungsvertrag bestand. Deren Geschäftsanschrift war identisch mit der der Klägerin in Deutschland. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Klägerin nicht in Deutschland ansässig sei. Die Geschäftsleitung befinde sich in Dänemark und unter der Geschäftsadresse firmiere die geschäftsführende GmbH. Rechtsfolge war, dass nicht mehr die Klägerin Steuerschuldnerin war, sondern der Energieversorger, der den Strom abnahm. Die Klägerin schuldete die Umsatzsteuer dennoch, da diese nun als unberechtigt ausgewiesen behandelt wurde. Ebenso wurde der Klägerin der Vorsteuerabzug versagt, da dieser im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens hätte geltend gemacht werden müssen. Die Klägerin argumentierte dagegen, dass die Windkraftanlagen als inländische Zweigniederlassungen zu werten seien. Dem widersprach das Finanzamt, da dies einen Mindestbestand an Personal erfordere, der hier nicht gegeben sei.

Entscheidung
Das Finanzgericht Münster gab der Klägerin Recht. Demnach sind die Windkrafträder als Zweigniederlassungen zu behandeln. Das Gericht verwies zur Begründung auf die unionsrechtlichen Vorgaben. Diese fordern für die Annahme einer festen Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen zu erbringen. Das Fehlen der personellen Ausstattung hielt das Finanzgericht für unbeachtlich, da dies durch die überdurchschnittlich stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert werde.

Konsequenz
Ist die (Nicht-)Ansässigkeit eines Unternehmens zu prüfen, so sind die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) zu beachten, die nicht identisch sind mit dem Begriff der Betriebsstätte im Ertragsteuerrecht. Bestehende Zweifel sollten ausgeräumt werden, denn die Risiken, die eine Fehlbeurteilung für beide Vertragspartner nach sich zieht, sind erheblich, wie der Fall zeigt.

Wann unterliegt Abfall der Umsatzsteuer?

Kernaussage
Man kennt es vom Vorabend des Sperrmülls: Für die einen ist es Abfall, für die anderen hat es noch einen Wert. Und genau da geht das Problem in der Umsatzsteuer los. Denn sobald werthaltiger Müll entsorgt wird, kann dies Umsatzsteuer nach sich ziehen, sowohl für den Entsorger als auch für den Entsorgenden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun zu diesem Problem erneut Stellung bezogen.

Neue Verwaltungsanweisung
Nach Ansicht des BMF stellt die Entsorgung des Abfalls durch den Entsorger eine sonstige Leistung dar, wenn der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Ist dem Abfall zudem ein wirtschaftlicher Wert beizumessen (werthaltiger Abfall), liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor (Abfalllieferung gegen Entsorgungsleistung), wenn die Vertragspartner übereinstimmend davon ausgehen, dass der überlassene Abfall die Höhe der Vergütung für dessen Entsorgung beeinflusst hat oder umgekehrt. Das BMF grenzt den Begriff der "eigenständigen wirtschaftlichen Bedeutung" durch Aufzählung von Beispielen ab, in denen der Entsorgung eine solche Bedeutung nicht zukommt. Ist eine Entsorgungsleistung gegeben, so setzt die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes entsprechende Vereinbarungen über den Wert des überlassenen Abfalls voraus.

Konsequenz
Das BMF hatte zuletzt in 2012 zu dieser Thematik Stellung genommen. Das jetzige Schreiben ist nahezu identisch zum damaligen Schreiben. Die betroffenen Unternehmen sollten sich mit dem Schreiben auseinandersetzen, da seine Grundsätze spätestens seit 2013 anzuwenden sind.

Kleinunternehmer: Option zur Umsatzsteuer durch Umsatzsteuererklärung?

Kernaussage
Von Kleinunternehmern, die bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreiten, wird keine Umsatzsteuer erhoben. Im Gegenzug dürfen sie auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Um diesen zu erreichen, können sie zur Umsatzsteuer optieren, sind dann aber 5 Jahre hieran gebunden.

Sachverhalt
Der klagende Kleinunternehmer nahm irrtümlich an, dass er die maßgebliche Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten habe und gab daraufhin eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2006 ab. In dieser deklarierte er die Umsatzsteuer; die Zeilen mit den Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer füllte er dagegen nicht aus. Nachdem die Veranlagung des Jahres 2006 bestandskräftig geworden war, fiel dem Kläger der Irrtum auf. Er beantragte daraufhin, für die Folgejahre wiederum als Kleinunternehmer behandelt zu werden, da die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine Option zur Umsatzbesteuerung darstelle.

Entscheidung
Entgegen der Vorinstanz, vertritt der Bundesfinanzhof (BFH) die Ansicht, dass die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit darin enthaltener Berechnung der Umsatzsteuer als konkludente Option zur Regelbesteuerung gewertet werden kann. Allerdings kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob die Erklärung zweifelsfrei als Option zu verstehen ist. Verbleiben Zweifel, so muss das Finanzamt diese durch Befragung des Kleinunternehmers ausräumen, ansonsten kann ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nicht angenommen werden.

Konsequenz
Der BFH hat den Fall an die Vorinstanz zurück verwiesen, da unklar war, ob das Finanzamt tatsächlich die Umsatzsteuer-Jahreserklärung als Option werten durfte. Dem könnte entgegenstehen, dass das Finanzamt auch ohne Option davon ausging, dass der Kläger in 2006 der Regelbesteuerung unterliegen würde. Denn ein Aktenvermerk des Finanzamts wies darauf hin, dass der Kläger in 2005 die maßgebliche Umsatzgrenze überschritten habe, so dass in 2006 dem Kläger gar keine Option mehr offen stehen würde. Sollte die Vorinstanz die Option bestätigen, so wird der Kläger 5 Jahre an die Regelbesteuerung gebunden sein. Denn die Rücknahme der Option nach Bestandskraft des Bescheids für 2006 ist wirkungslos. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger diese nur irrtümlich erklärt hat.

Festsetzung von Verzögerungsgeld: Verhältnismäßigkeit bei Entschließungsermessen

Kernaussage
Ein so genanntes Verzögerungsgeld kann insbesondere dann festgesetzt werden, wenn Steuerpflichtige ihrer Mitwirkungspflicht im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht nachkommen oder ihre Buchhaltung ohne Genehmigung ins Ausland verlegen. Das Verzögerungsgeld kann zwischen 2.500 EUR und 250.000 EUR betragen. Ein von einer Finanzbehörde festgesetztes Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 EUR darf nach Ansicht des Finanzgerichts Schleswig-Holstein nur bei Vorliegen mehrerer gewichtiger Gründe auferlegt werden. Andernfalls ist das Entschließungsermessen zu Gunsten des Steuerpflichtigen auszuüben.

Sachverhalt
Im Rahmen einer Außenprüfung legte der Prüfer dem Steuerpflichtigen und seinem Steuerberater auf, Unterlagen innerhalb von 14 Tagen zu beschaffen. Der Zeitrahmen erstreckte sich über den Jahreswechsel und war wegen erhöhter Auslastung des Steuerberaters nebst Einspannung in die Betriebsprüfung nicht einzuhalten. Dies teilte der Steuerberater unmittelbar mit, woraufhin er eine Fristverlängerung von weiteren zwölf Tagen nebst Androhung eines Verzögerungsgeldes erhielt. Der Steuerberater äußerte darüber in einem Antwortschreiben seine Verwunderung. Sowohl die Mitarbeiter seines Büros als auch der Mandant selbst seien bislang stets höchst kooperativ gegenüber dem Finanzamt gewesen und hätten ferner persönliche Unterstützung im Rahmen der Betriebsprüfung angeboten. 9 Tage nach Verstreichen der endgültigen Frist des Prüfers reichte der Steuerberater die angeforderten Unterlagen ein. Bereits 5 Tage zuvor setzte das Finanzamt ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 EUR fest. Hiergegen klagte der Steuerberater und gewann.

Entscheidung
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei im Hinblick auf die beachtliche Sanktionsuntergrenze in Höhe von 2.500 EUR nicht beachtet worden, urteilten die Richter. Im Streitfall seien zwar alle formellen Voraussetzungen erfüllt gewesen, die Ausübung des Entschließungsermessen sei aber nicht nachvollziehbar. Lediglich die Nichteinhaltung der Frist wurde als Begründung angeführt, was indes nicht der verschärften gesetzlichen Begründungspflicht genügte. Nicht jeder Verspätungsfall rechtfertige die Sanktion. Vielmehr sei zusätzlich auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht, die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe und das Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie die Beeinträchtigung der Außenprüfung abzustellen. Im Streitfall hätte das Finanzamt erläutern müssen, warum es gerade hier durch die kurze Fristüberschreitung zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung gekommen wäre.

Konsequenz
Verzögerungsgelder dürfen lediglich dann festgesetzt werden, wenn die Schwere der Schuld des Steuerpflichtigen die Festsetzung in Höhe von mindestens 2.500 EUR rechtfertigt. Das Finanzamt muss dies zudem begründen. Andernfalls kann sich der Steuerpflichtige bei zeitnaher Einreichung der Unterlagen und nachvollziehbaren Verzögerungsgründen gegen die Festsetzung von Verzögerungsgeldern wehren.

Verdeckte Gewinnausschüttung ist keine Schenkung

Kernaussage
Mit aktuellem Urteil hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass der verbilligte Verkauf eines Grundstücks durch eine GmbH an den Bruder eines Gesellschafters keine freigiebige Zuwendung der Gesellschaft darstellt und dementsprechend keine Schenkungsteuer auslöst.

Sachverhalt
Der Kläger erwarb gegen Übernahme von Schulden 2 Grundstücke von einer GmbH, deren Gesellschafter sein Bruder war. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Verkehrswerte der Grundstücke höher als die übernommenen Schulden seien und nahm deshalb insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Zugleich ging es davon aus, dass der Kläger eine freigebige Zuwendung von der GmbH erhalten habe und setzte Schenkungsteuer fest. Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht zugleich als Schenkung behandelt werden könne.

Entscheidung
Die Richter teilten die Auffassung des Klägers und gaben der Klage statt. Die GmbH habe dem Kläger nichts zugewendet. Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern bzw. diesen nahestehenden Personen könne es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich (offene und verdeckte) Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen geben. Für freigiebige Zuwendungen (im Sinne von § 7 ErbStG) bleibe kein Raum, da Gewinnausschüttungen nicht freigiebig erfolgten, sondern vielmehr auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhten.

Konsequenz
Das Finanzgericht folgte damit einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Im Hinblick auf die gegenläufigen Verwaltungsanweisungen ließ es die Revision zu, so dass nun wieder der BFH das letzte Wort hat.

Steuerliche Änderungen bei gemeinnützigen Körperschaften 2014

Kernaussage
Das "Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts" vom 21.3.2013 soll den steuerbegünstigten Körperschaften und den ehrenamtlich Tätigen die Arbeit erleichtern. Hierzu sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen entbürokratisiert und flexibilisiert werden. Ein Teil der Gesetzesänderungen tritt zum 1.1.2014 in Kraft.

Änderungen
Mit der Gesetzesänderung ist es einer gemeinnützigen Organisation nunmehr erlaubt, Überschüsse aus der Vermögensverwaltung, Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und bis zu 15 % der sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel anderen steuerbegünstigten Körperschaften oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Vermögensausstattung zuzuwenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die steuerbegünstigten Zwecke der beteiligten Körperschaften sich entsprechen. Die Vorschriften zur Rücklagenbildung und Vermögensverwendung werden in einen neuen § 62 AO zusammengefasst: In § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO ist die Möglichkeit der Bildung einer Wiederbeschaffungsrücklage für Wirtschaftsgüter, die zur Erlangung der steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke erforderlich sind, gesetzlich verankert worden. Die Bildung einer freien Rücklage kann innerhalb der 2 nachfolgenden Jahre nachgeholt werden, wenn die Rücklage in einem Jahr nicht ausgeschöpft werden konnte. In § 62 Abs. 2 AO ist erstmals festgelegt, in welchem Zeitpunkt die Rücklagenbildung zu erfolgen hat. Durch den Verweis auf § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO muss die Rücklagenbildung im Jahr des Zuflusses oder in den 2 darauffolgenden Jahren erfolgen. Die Frist zur Bildung der so genannten Ansparrücklage von Stiftungen wird von 2 auf 3 Jahre verlängert.

Konsequenzen
Die Neuregelungen sind zu begrüßen. Sie ermöglichen den gemeinnützigen Organisationen einen flexibleren zeitlichen Mitteleinsatz.

Voraussetzungen einer organisatorischen Eingliederung

Kernaussage
Die umsatzsteuerliche Organschaft ist gekennzeichnet durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis der beteiligten Gesellschaften, nämlich der beherrschenden Gesellschaft (Organträger) und der beherrschten juristischen Person (Organgesellschaft). Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft sind die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht München nun als weitere Voraussetzung festgelegt, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss.

Sachverhalt
Streitig ist, ob zwischen der Klägerin (eine Verwaltungs-GmbH) und einem Verein (e. V.) eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht und damit die Geschäftsführerleistungen der Klägerin nicht umsatzsteuerbar sind. Die An der klagenden GmbH besaß ein Verein, der eine Kinderkrippe, einen Kindergarten sowie eine Grund- und Hauptschule betrieb, 88 % der Anteile. Nach erfolgter Anteilsübertragung wurde die GmbH zum Vorstand des Vereins gewählt. Die bisherigen 3 leitenden Angestellten des Vereins wurden zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der GmbH bestellt. Nach der Vereinssatzung konnte der Vorstand nur aus wichtigem Grund durch Beschluss des Verwaltungsrats und der Mitgliederversammlung abberufen werden. In einer Vereinbarung zwischen dem Verein und der GmbH wurde festgehalten, dass für bestimmte Rechtsgeschäfte der GmbH eine vorherige Zustimmung durch den Verwaltungsrat des Vereins nötig sei. Die vom Verein an die GmbH gezahlte Vergütung für die Geschäftsführung wurde von der GmbH nicht der Umsatzsteuer unterworfen, da wegen eines angenommenen Organschaftsverhältnisses von einem nicht steuerbaren Innenumsatz ausgegangen wurde. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war das Finanzamt allerdings der Meinung, dass es sich um steuerbare und steuerpflichtige Umsätze handle. Eine Organschaft scheitere an der organisatorischen Eingliederung der GmbH in den Verein, da diese die Geschäfte des Vereins eigenverantwortlich führe. Hiergegen wandte sich die GmbH und unterlag.

Entscheidung
Es fehlte hier an der organisatorischen Eingliederung. Diese besteht zwischen 2 Körperschaften regelmäßig bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen beider Gesellschaften. Vorliegend verfügte der Verein im Hinblick auf die Geschäftsführerleistungen der GmbH nicht über eine beherrschende Stellung und insbesondere nicht über die von der Rechtsprechung geforderte besondere Einwirkungsmöglichkeit. Zwar bestand zwischen den Geschäftsführungsorganen der GmbH und des Vereins eine Personenidentität, weil die 3 leitenden Vereins-Angestellten auch die einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH waren. Gleichwohl begründete diese Konstellation keine organisatorische Eingliederung der GmbH, da der Verein hier seinen Willen gerade nicht gegenüber der GmbH-Geschäftsführung durchsetzen konnte. Denn die GmbH war nach der Vereinssatzung der einzelvertretungsberechtigte Vorstand des Vereins und konnte nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Damit bestand kein umfassendes Weisungsrecht des Vereins gegenüber der Geschäftsführung der GmbH, da diese als geschäftsführendes Organ den Willen des Vereins bildete und daher nicht gleichzeitig dessen Willen unterworfen sein konnte.

Konsequenz
Die Besonderheit des Streitfalls lag darin, dass der Wille des Vereins immer identisch mit dem Willen der GmbH war, weshalb der Verein die GmbH durch die Art und Weise der Geschäftsführung gerade nicht beherrschen konnte. Vielmehr war aus diesem Grunde auch nicht erkennbar, ob der Verein oder die GmbH als herrschendes oder abhängiges Unternehmen anzusehen war. Das Urteil ist rechtskräftig.

Strom: Widerruf von Versorgererlaubnis ist keine Gewerbeuntersagung

Kernaussage
Auch wenn der Widerruf einer Versorgererlaubnis eine wesentliche Grundlage für die konkrete Gewerbeausübung eines Stromversorgers betrifft, stellt dies keine Gewerbeuntersagung oder eine ihr gleichzustellenden Maßnahme dar. So entschied im Sommer 2013 das Finanzgericht Hamburg.

Sachverhalt
Die Finanzrichter hatten über einen Eilantrag eines als Stromversorger tätigen Unternehmens zu entscheiden: Das Hauptzollamt (HZA) hatte wegen Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Versorgers dessen Stromerzeugererlaubnis widerrufen. Mit dem Widerruf untersagte es die Nutzung der Erlaubnis und forderte das Stromversorgerunternehmen zur unverzüglichen Rückgabe der erteilten Erlaubnisscheine auf. Das Unternehmen legte hiergegen Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde, und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Widerrufsverfügung. Der Antrag blieb erfolglos.

Entscheidung
Nach Ansicht des Finanzgerichts war der Widerruf bereits wegen Fehlens des Jahresabschlusses 2011 gerechtfertigt. Wegen wiederholter und massiver Verletzung der Anzeigepflichten bestünden zudem Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Versorgerunternehmens, vor allem habe es das HZA weder über die Lieferung von Strom auch an Kunden ohne Erlaubnisschein informiert noch über die erheblichen Erhöhungen der gelieferten Strommengen. Der Stromsteueranspruch sei konkret gefährdet, zumal das Unternehmen hohe Steuerbeträge schulde und den Strom nicht kostendeckend veräußere. Dass die Unternehmensgruppe, zu der das Versorgerunternehmen gehöre, insgesamt Gewinne erziele, sei unerheblich. Vielmehr verstärke der Umstand, dass Aufwendungen und Erträge in unterschiedlichen Gesellschaften anfielen, die Gefährdungsprognose. Schließlich führe der Widerruf auch nicht zu einer unbilligen Härte; eine Existenzbedrohung war von dem Unternehmen nicht hinreichend dargelegt worden.

Konsequenz
Die Vollziehung des Widerrufs war auch nicht infolge der Einspruchseinlegung gehemmt, so die Richter. Zwar bestimmt die Abgabenordnung (AO), dass die Einlegung eines Einspruchs, der sich gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung richtet, ausnahmsweise die Vollziehung eines Bescheids hemmt. Indes ist der Widerruf einer Stromversorgererlaubnis keine Gewerbeuntersagung, auch wenn der Verlust der Erlaubnis beim Betroffenen existenzbedrohende Probleme verursachen kann. Letztlich ist die Tätigkeit eines Versorgers durch den Widerruf nur insoweit betroffen, als ihm – zur Vermeidung einer Gefährdung der Steuerbelange – die Vorteile des im Stromsteuergesetz geregelten Steueranmeldungssystems nicht mehr gewährt werden, und er wieder zur sofortigen Steueranmeldung und -entrichtung verpflichtet ist. Zwischenzeitlich hat auch der Bundesfinanzhof (BFH) dem Finanzgericht Recht gegeben.

Steuerliche Trennung von nebeneinander ausgeübter gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit

Kernaussage
Gewerbliche (als Praxisbetreiber) und freiberufliche Tätigkeiten (als Behandelnder mit Mitarbeitern) eines Krankengymnasten, die nebeneinander ausgeübt werden, sind steuerliche getrennt zu behandeln, wenn dies nach dem Patientenstamm problemlos möglich ist oder der Tätigkeitsumfang geschätzt werden kann.

Sachverhalt
Die Klägerin betreibt seit 2001 eine eigene Praxis für Krankengymnastik. Sie beschäftigte in den Streitjahren jeweils 4 bis 5 festangestellte Mitarbeiter, die jeweils 20 bis 30 Wochenstunden tätig waren. Im Jahr 2007 kam es in der Praxis zu einer erheblichen Auftragszunahme, die von der Klägerin mit ihren angestellten Mitarbeitern alleine nicht zu bewältigen war, so dass die Klägerin in den Streitjahren 2007 bis 2009 zusätzlich jeweils 3 bis 4 Honorarkräfte beschäftigte. Die Praxis verfügte in den Streitjahren über 4 zugelassene Behandlungsräume, wovon ein Raum ausschließlich von der Klägerin genutzt wurde. Das Finanzamt behandelte die gesamten Einkünfte der Klägerin aus ihrer Praxis als gewerbliche Einkünfte. Es war der Ansicht, dass nach dem Umfang der Fremdleistungen – Gesamtumsatz rd. 300.000 EUR; Aufwand für Honorarkräfte 100.000 EUR; Personalkosten über 50.000 EUR – keine eigenverantwortliche Tätigkeit der Klägerin mehr vorliege. Da somit weit über die Hälfte der Leistungen nicht unmittelbar von der Klägerin erbracht würden, könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sämtliche Leistungen den vom Bundesfinanzhof (BFH) geforderten "Stempel der Persönlichkeit" der Klägerin trügen.

Entscheidung
Die hiergegen erhobene Klage war nur teilweise erfolgreich. Im Urteil führt das Finanzgericht Hamburg aus, dass eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit eines Krankengymnasten nur vorliege, wenn er – hinausgehend über Erstgespräch, gelegentliche Kontrollen und Abrechnungskontrolle – bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nehme und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchführe. Allerdings könne ein Krankengymnast nebeneinander sowohl eine gewerbliche (als Praxisinhaber) als auch und eine freiberufliche Tätigkeit (als selbst Behandelnder) ausüben. Die Tätigkeiten seien steuerlich getrennt zu behandeln, wenn eine Trennung z. B. nach den einzelnen behandelten Patienten ohne besondere Schwierigkeiten möglich sei oder der Umfang der Tätigkeit anhand bekannter Daten geschätzt werden könne. In dem entschiedenen Fall kam das Gericht unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass in den Streitjahren jeweils ein freiberuflicher Anteil von 25 % des Gesamtgewinns als am wahrscheinlichsten anzunehmen sei.

Konsequenz
Gegen das Urteil des Finanzgericht Hamburg wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt, der nun das letzte Wort in dieser Sache hat.

Entschädigungsanspruch bei Kündigung während Schwangerschaft

Kernfrage
Neben dem Mutterschutzgesetz sieht auch das Allgemeine Gelichbehandlungsgesetz (AGG) besondere Schutzregelungen für Schwangere vor; diese sind insbesondere gegen Benachteiligungen wegen der Schwangerschaft besonders geschützt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob der besondere Schutz des AGG einen selbständigen Entschädigungsanspruch auslöst, wenn das Mutterschutzgesetz bereits vor einer Kündigung wegen der Schwangerschaft schützt.

Sachverhalt
Die schwangere Klägerin unterlag wegen Schwangerschaftskomplikationen einem Beschäftigungsverbot, das der Arbeitgeber – ein Kleinbetrieb – nicht akzeptieren wollte. Als bei der Arbeitnehmerin festgestellt wurde, dass diese ihr Kind verloren hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis noch am selben Tag. Gegen die Kündigung führte die Arbeitnehmerin eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage. Daneben machte sie einen auf die Diskriminierungsbestimmungen des AGG gestützten Entschädigungsanspruch geltend.

Entscheidung
Das BAG gab der Klägerin Recht. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Kündigung sei hier der Anwendungsbereich des AGG eröffnet, weil die Arbeitnehmerin offensichtlich wegen ihres Geschlechts (der Schwangerschaft) benachteiligt worden sei. Diese zeige sich nicht nur daran, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis an dem Tag gekündigt habe, als er vom Verlust des Kindes erfahren habe, sondern bereits vorher, als er das Beschäftigungsverbot missachten wollte.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt – hier an einem besonders deutlichen Fall – dass bei einer Benachteiligung von schwangeren Arbeitnehmerinnen die Anwendung des AGG und damit ein Schadensersatzanspruch in Geld neben den weiteren besonderen Schutzvorschriften für Schwangere möglich ist.

Erschwerte Kündigung bei HIV Infizierung

Rechtslage
Eine HIV-Infektion galt im Arbeitsrecht (bisher) als Krankheit. Kündigungen HIV-infizierter Arbeitnehmer waren daher, jedenfalls wenn sie in der Probezeit ausgesprochen wurden, vergleichsweise einfach möglich. Nach Ablauf der Probezeit war die Kündigung als krankheitsbedingte Kündigung, insbesondere in sensiblen Arbeitsbereichen, ebenfalls möglich Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Möglichkeiten nunmehr wohl eindeutig eingeschränkt.

Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war bei einem Pharmaunternehmen im so genannten Reinraum in der Produktion von Arzneimitteln beschäftigt, die auch intravenös verabreicht werden. Im Rahmen einer betriebsärztlichen Untersuchung in der Probezeit wurde die HIV-Infektion des Arbeitnehmers bekannt. Der Arbeitgeber kündigte darauf in der Probezeit das Arbeitsverhältnis; und zwar auch deshalb weil ein Verletzungsrisiko im Umgang mit Glas im Reinraum und eine anschließende Kontamination der Arzneimittel nicht auszuschließen sei. Hiergegen wandte sich der Arbeitnehmer mit der Begründung, diskriminiert zu werden.

Entscheidung
Das BAG gab dem Kläger zwar nicht endgültig Recht, sondern verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück. In seiner Entscheidung setzte das BAG die HIV Infektion aber mit einer Behinderung gleich und erschwerte damit die Kündigungsmöglichkeiten, weil die Kündigung, insbesondere auch die Probezeitkündigung, unter Beachtung der Anti-Diskriminierungsgrundsätze zu prüfen sei. Eine Kündigung alleine wegen der HIV-Infektion sei jedenfalls diskriminierend. Die Zurückverweisung an die Vorinstanz erfolgte wegen der Beschäftigung im Reinraum. Denn Arbeitgeber müssen kein Infektionsrisiko tragen; allerdings bleibt zu prüfen, ob es arbeitgeberseitige Maßnahmen gegeben hätte, die dem Kläger eine Arbeit im Reinraum ermöglicht hätten.

Konsequenz
Das Gleichsetzen einer HIV-Infektion mit einer Schwerbehinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) macht Kündigung wegen der HIV-Infektion in normalen Arbeitsverhältnissen faktisch unmöglich. Etwas Anderes – und hierüber ist noch zu entscheiden – kann dort gelten, wo sensible Arbeitsbereiche betroffen sind.

Arbeitgeber muss nachgewiesene Überstunden vergüten

Kernaussage
Was geschieht, wenn der Chef die geleisteten Überstunden seines Arbeitnehmers anzweifelt und nicht vergüten will, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2012: Wer gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, um eine Vergütung für Mehrarbeit durchzusetzen, sollte genau dokumentiert haben, wann er wie lange gearbeitet hat.

Sachverhalt
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der in einer Filiale des beklagten Arbeitgebers beschäftigt war und Ausgleich für seine Mehrarbeit forderte. Der Arbeitgeber bestritt die Anzahl der Überstunden mit der Begründung, wegen des weit verzweigten Filialnetzes könne er nicht die Angaben eines jeden Mitarbeiters überprüfen. Das Gericht gab dem klagenden Arbeitnehmer Recht.

Entscheidung
Überstunden, die ein Mitarbeiter exakt angeben kann, muss der Arbeitgeber bezahlen oder mit Freizeit ausgleichen; so die Richter. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Mitarbeiter die Überstunden genau benennt. Zieht der Arbeitgeber diese Angaben in Zweifel, muss er nachweisen, dass keine Überstunden angefallen sind. Die Begründung des Arbeitgebers, die Entfernung zur Filiale sei zu groß gewesen, reichte den Richtern nicht. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass er Informationen über den Arbeitsablauf in den einzelnen Geschäftsstellen erhält.

Konsequenz
Bei Streit um die Anzahl von Überstunden kann der Arbeitgeber die geleistete Mehrarbeit nicht pauschal bestreiten. Dennoch obliegt es grundsätzlich demjenigen, der die Bezahlung von Überstunden fordert, diese auch zu belegen. Gegebenenfalls kann es daher sinnvoll sein, die einzelnen Tätigkeiten mit Datum und Uhrzeit exakt schriftlich festzuhalten.